Martin Opitz

Ode XVIII (Martin Opitz)

         

         

Ich empfinde fast ein Grawen

Daß ich / Plato / für vnd für

Bin gesessen über dir;

Es ist Zeit hinauß zu schawen /

Vnd sich bey den frischen Quellen

In dem grünen zu ergehn /

Wo die schönen Blumen stehn

Vnd die Fischer Netze stellen.

    Worzu dienet das studieren

Als zu lauter Vngemach?

Vnter dessen laufft die Bach

Vnsers Lebens das wir führen /

Ehe wir es inne werden /

Auff jhr letztes Ende hin /

Dann kömpt ohne Geist vnd Sinn

Dieses alles in die Erden.

    Hola / Junger / geh' vnd frage

Wo der beste Trunck mag seyn /

Nimb den Krug / vnd fülle wein.

Alles Trawren / Leid vnd Klage

Wie wir Menschen täglich haben

Eh' vns Clotho fort gerafft

Will ich in den süssen Safft

Den die Traube gibt vergraben.

    Kauffe gleichfals auch Melonen

Vnd vergieß deß Zuckers nicht;

Schawe nur daß nichts gebricht.

Jener mag der Heller schonen /

Der bey seinem Gold' vnd Schätzen

Tolle sich zu krencken pflegt /

Vnd nicht satt zu Bette legt:

Ich wil weil ich kan mich letzen.

    Bitte meine gute Brüder

Auff die Music vnd ein Glaß:

Kein ding schickt sich / dünckt mich / baß /

Als ein Trunck vnd gute Lieder.

Laß' ich schon nicht viel zu erben /

Ey so hab ich edlen Wein;

Wil mit andern lustig seyn /

Wann ich gleich allein muß sterben.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-000361-X
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.