Martin Opitz

Ode II (Martin Opitz)

         

    Ist jrgend zu erfragen

Ein Schäffer vmb den Rein /

Der sehnlich sich beklagen

Muß vber Liebespein /

Der wird mir müssen weichen /

Ich weiß sie plagt mich mehr:

Niemand ist mir zu gleichen /

Vnd liebt er noch so sehr.

    Es ist vorbey gegangen

Faßt jetzt ein volles Jahr /

Daß Phyllis mich gefangen

Mit Liebe gantz vnd gar;

Daß sie mir hat genommen

Gedancken / Muth vnd Sinn:

Ein Jahr ists daß ich kommen

In jhre Liebe bin.

    Seit dem bin ich verwirret

Gewesen für vnd für /

Es haben auch geirret

Die Schaffe neben mir;

Das Feld hab' ich verlassen /

Gelebt in Einsambkeit /

Hab' alles müssen hassen

Worumb ein Mensch sich frewt.

    Nichts hab' ich können singen

Als nur jhr klares Liecht;

Von jhr hab' ich zu klingen

Die Lauten abgericht;

Wie sehr ich sie muß lieben /

Vnd jhre grosse Ziehr /

Das hab' ich fast geschrieben

An alle Bäwm' allhier.

    Kein Trincken vnd kein Essen /

Ja nichts hat mir behagt /

Ich bin nur stets gesessen /

Vnd habe mich beklagt:

In diesen schweren Orden

Verendert alles sich /

Die Herd' ist mager worden /

Vnd ich bin nicht mehr ich.

    Sie aber hat die Sinnen

Weit von mir abgekehrt /

Ist gar nicht zu gewinnen /

Als wer' ich jhr nicht werth;

Da doch was ich gesungen

Im Brittenland' erschallt /

Vnd auch mein Thon gedrungen

Biß durch den Böhmer Waldt.

    So hab' ich auch darneben /

Ich habe was bey mir /

Daß ich nicht wolte geben

Vmb alles Vieh allhier

Das an deß Neckers Rande

Im grünen Grase geht,

Mein Lob wird auff dem Lande

Vnd in der Stadt erhöht.

    Jedoch nach diesem allen

Frag' ich nicht sonders viel /

Der Phyllis zu gefallen

Ich einig singen wil /

Weil nichts ist das auff Erden

Mir ohne sie gefellt;

Kan jhre Gunst mir werden /

So hab' ich alle Welt.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-000361-X
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.