Martin Opitz

Einer Jungfrawen Klage vber nahendes Alter (Sonnet X) (Martin Opitz)

   

    ACh wo ist nun die Zeit / in der man pflag zu gleichen

Der Rosen schöner Zier mein' edele Gestalt?

Ja freylich bin ich so / nun ich bin graw vnd alt.

Eh' als der Sonnen Glantz die Rose kan erreichen

    So muß sie durch die Lufft der Nacht zuvor verbleichen /

Vnd hat nur von dem Thaw ein wenig Vnterhalt:

So netzen mich jetzt auch die Threnen mannigfalt /

Weil ich die junge Zeit nun habe lassen schleichen.

    Geht dann der Morgen an / so wird die Rose roth;

Ich werde Schamroth auch gedenck ich an die Noth.

Doch hab ich diesen Trost daß gleich wie von den Winden

    Die Rose wann der Tag sich neigt / wird abgemeit /

So werd' auch ich / weil nun mein Abend nicht ist weit

Kan ja es hier nicht seyn / doch Ruh' im Grabe finden.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-000361-X
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.