Johann Wolfgang von Goethe

Tischlied (Johann Wolfgang von Goethe)

       

Mich ergreift, ich weiß nicht wie,

Himmlisches Behagen.

Will michs etwa gar hinauf

Zu den Sternen tragen?

Doch ich bleibe lieber hier,

Kann ich redlich sagen,

Beim Gesang und Glase Wein

Auf den Tisch zu schlagen.

Wundert euch, ihr Freunde nicht,

Wie ich mich gebärde;

Wirklich ist es allerliebst

Auf der lieben Erde:

Darum schwör ich feierlich

Und ohn alle Fährde,

Daß ich mich nicht freventlich

Wegbegeben werde.

Da wir aber allzumal

So beisammen weilen,

Dächt ich, klänge der Pokal

Zu des Dichters Zeilen.

Gute Freunde ziehen fort,

Wohl ein hundert Meilen,

Darum soll man hier am Ort

Anzustoßen eilen.

Lebe hoch, wer Leben schafft!

Das ist meine Lehre.

Unser König denn voran,

Ihm gebührt die Ehre.

Gegen inn- und äußern Feind

Setzt er sich zur Wehre;

Ans Erhalten denkt er zwar,

Mehr noch, wie er mehre.

Nun begrüß ich sie sogleich,

Sie, die einzig Eine.

Jeder denke ritterlich

Sich dabei die Seine.

Merket auch ein schönes Kind,

Wen ich eben meine,

Nun, so nicke sie mir zu:

Leb auch so der Meine!

Freunden gilt das dritte Glas,

Zweien oder dreien,

Die mit uns am guten Tag

Sich im stillen freuen

Und der Nebel trübe Nacht

Leis und leicht zerstreuen;

Diesen sei ein Hoch gebracht,

Alten oder neuen.

Wie wir nun zusammen sind,

Sind zusammen viele.

Wohl gelingen denn, wie uns,

Andern ihre Spiele!

Von der Quelle bis ans Meer

Mahlet manche Mühle,

Und das Wohl der ganzen Welt

Ists, worauf ich ziele.

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Gesammelte Werke in sieben Bänden"
Herausgeber: Bertelsmann Lesering