Johann Wolfgang von Goethe

Das Lied der Parzen (Johann Wolfgang von Goethe)

   

Es fürchte die Götter

Das Menschengeschlecht,

Sie halten die Herrschaft

In ewigen Händen

Und können sie brauchen,

Wie's ihnen gefällt.

Der fürchte sie doppelt,

Den je sie erheben!

Auf Klippen und Wolken

Sind Stühle bereitet

Um goldene Tische.

Erhebet ein Zwist sich,

So stürzen die Gäste

Geschmäht und geschändet

In nächtliche Tiefen

Und harren vergebens,

Im Finstern gebunden,

Gerechten Gerichtes.

Sie aber, sie bleiben

In ewigen Festen

An goldenen Tischen.

Sie schreiten vom Berge

Zu Bergen hinüber;

Aus Schlünden der Tiefe

Dampft ihnen der Atem

Erstickter Titanen,

Gleich Opfergerüchen,

Ein leichtes Gewölke.

So sangen die Parzen;

Es horcht der Verbannte

In nächtlichen Höhlen,

Der Alte, die Lieder,

Denkt Kinder und Enkel

Und schüttelt das Haupt.

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Gesammelte Werke in sieben Bänden"
Herausgeber: Bertelsmann Lesering