Johann Georg Scheffner

Die Opferung (Johann Georg Scheffner)

             

Du bist wie Paphia aus weißem Schaum geboren,

Aus Muschelschalen stieg dein Leib so zart und fein,

Die Perle aber ward aus ihrem Schoß erkoren,

Des feinen Geistes jungfräulicher Stoff zu sein.

Du gleichst Cytheren, wenn der Grazien Hand sie schmückte,

Nur daß ihr Herz an Reiz lang nicht dem deinen gleicht;

Als ohne Gürtel sie dort Priams Sohn erblickte,

Ward ihr der Schönheit Preis im Apfel überreicht.

Doch Paris hätt' ihn dir vor Cyprien gegeben,

Hätt' er dich gürtellos, verschämt, wie ich erblickt.

Ein Kuß nach zärtlichem, unschuld'gem Widerstreben

Auf Höhn, die schwarz umdornt ein rotes Beerchen schmückt,

Ein Blick ins sanfte Tal, das diese Hügel schaffen

Und das an ein Gewölb' von Atlasglätte grenzt,

Berauschten mich – ich fiel – da siegten Amors Waffen,

Die er, des Siegs gewiß, mit Myrten schon umkränzt.

Da fing er mich im Netz, gewebt von jenen Bogen,

Der Stirn und Augen Schmuck, von lockig schwarzem Haar,

Das duftend, reich betaut den Wollustthron umzogen,

Und führt bezaubert mich zum heiligsten Altar.

Aglaja hatte ihn mit seltnem Fleiß erbauet

Und ihren Rosenmund beim Bau zum Riß geliehn.

Nach zarter Lippen Rot, mit Nektar übertauet,

Schuf sie kunstvoll den Rand, den Altar zu umziehn.

Der Zunge, die der Witz beredsam dort beweget,

Glich hier ein Streif, der sich schmal und gefühlvoll bog,

Dann winkt ein Vorgebirg von Venus angeleget,

Mit Moos bedeckt, das sich kraus um das Ufer zog.

Am Fuß lag unentweiht die wundertät'ge Grotte,

Die vor unheil'gem Blick sorgfältig sich verbirgt,

Vom Priester nur besucht, der da dem Liebesgotte

Vertraut die Erstlinge an Venusfesten würgt.

Es rauscht ein Strom aus ihr, der oft die Gegend netzet

Und goldfarbklares Naß in seiner Urne hält,

Ein Purpurbach, dem Flut und Ebbe Luna netzet,

Und dann der Tau, der nur an Opfertagen fällt.

»Hier«, sprach der Gott zu mir, »bist du bestimmt zu dienen!«

Er sprach's und weihte mich zu seinem Priestertum

Und Düfte süßer mir wie Lindenduft den Bienen

Entstiegen dem Gesträuch um Amors Heiligtum.

Nun fing ich an, Altar und Grottwerk zu besehen,

Kam an den schmalen Weg, vor dem ein Vorhang hing

Und stockte – selbst beim Wunsch, das Heil'ge durchzuspähen,

Fiel schnell der Mut, mit dem ich erst zum Opfer ging –

»Verzagter, wie? Kannst du dich nicht entschließen?

Schmerzt dich des Opfers Tod?« schrie Amor voller Wut.

Da scheut' ich dann nichts mehr – der Vorhang ward zerrissen

Und aus dem Heiligtum, o Chloris, floß – dein Blut.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-251-00169-8
Erschienen im Buch "Komm. Ziehn dich aus."
Herausgeber: Haffmans Verlag