Gustav Falke

Das Birkenbäumchen (Gustav Falke)

Ich weiß den Tag, es war wie heute,

ein erste Maitag, weich und mild,

und die erwachten Augen freute

das übersonnte Morgenbild.

Der frohe Blick lief hin und wieder,

wie sammelt er die Schätze bloß?

So pflückt ein Kind im auf und nieder

sich seine Blumen in den Schoß.

Da sah ich dicht am Wegesaume

ein Birkenbäumchen einsam stehn,

rührend im ersten Frühlingsflaume.

Konnt' nicht daran vorübergehn.

In seinem Schatten stand ich lange,

hielt seinen schlanken Stamm umfaßt

und legte leise meine Wange

an seinen kühlen Silberbast.

Und war vorher die Sehnsucht rege,

hier war sie still, in sich erfüllt;

es war, als hätte hier am Wege

sich eine Seele mir enthüllt.

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Vom goldnen Überfluss"
Herausgeber: R. Voigtländers Verlag