Eduard Mörike

Die schlimme Gret und der Königssohn (Eduard Mörike)

           

»Gott grüß dich, junge Müllerin!

Heut wehen die Lüfte wohl schön?«

»Laßt sie wehen von Morgen und Abend,

Meine leere Mühle zu drehn!«

»Die stangenlangen Flügel

Sie haspeln dir eitel Wind?«

»Der Herr ist tot, die Frau ist tot,

Da feiert das Gesind.«

»So tröste sich Leid mit Leide!

Wir wären wohl gesellt:

Ich irr, ein armer Königssohn,

Landflüchtig durch die Welt.

Und drunten an dem Berge

Die Hütte dort ist mein;

Da liegt auch meine Krone,

Geschmuck und Edelstein.

Willt meine Liebste heißen,

So sage, wie und wann,

An Tagen und in Nächten,

Ich zu dir kommen kann?« –

»Ich bind eine güldne Pfeife

Wohl an den Flügel hin,

Daß sie sich helle hören läßt,

Wann ich daheime bin.

Doch wollt Ihr bei mir wohnen,

Sollt mir willkommen sein:

Mein Haus ist groß und weit mein Hof,

Da wohn ich ganz allein.« –

Der Königssohn mit Freuden

Ihr folget in ihr Haus;

Sie tischt ihm auf, kein Edelhof

Vermöchte so stattlichen Schmaus:

Schwarzwild und Rebhuhn, Fisch und Met;

Er fragt nicht lang woher.

Sie zeigt so stolze Sitten,

Des wundert er sich sehr.

Die erste Nacht, da er kost mit ihr,

In das Ohr ihm sagte sie: »Wißt,

Eine Jungfrau muß ich bleiben,

So lieb Euer Leben Euch ist!« –

Einsmals da kam der Königssohn

Zu Mittag von der Jagd,

Unfrohgemut, doch barg er sich,

Sprach lachend zu seiner Magd:

»Die Leute sagten mir neue Mär

Von dir, und böse dazu;

Sankt Jörgens Drach war minder schlimm,

Wenn man sie hört, denn du.«

»Sie sagen, daß ich ein falsches Ding,

Daß ich eine Hexe sei?«

»Nun ja, mein Schatz, so sprechen sie!

Eine Hexe, meiner Treu!

Ich dachte: wohl, ihr Narren,

Ihr lüget nicht daran;

Mit den schwarzen Augen, aufs erstemal,

Hat sie mir's angetan.

Und länger ruh ich keinen Tag,

Bis daß ich König bin,

Und morgen zieh ich auf die Fahrt:

Aufs Jahr bist du Königin!« –

Sie blitzt ihn an wie Wetterstrahl,

Sie blickt ihn an so schlau:

»Du lügst in deinen Hals hinein!

Du willt keine Hexe zur Frau.

Du willt dich von mir scheiden;

Das mag ja wohl geschehn:

Sollt aber von der schlimmen Gret

Noch erst ein Probstück sehn.« –

»Ach, Liebchen, ach, wie hebet sich,

Wie wallet dein schwarzes Haar!

Und rühret sich kein Lüftchen doch;

O sage, was es war?

Schon wieder, ach, und wieder!

Du lachest und mir graut:

Es singen deine Zöpfe... Weh!

Du bist die Windesbraut!«

»Nicht seine Braut, doch ihm vertraut;

Meine Sippschaft ist gar groß.

Komm, küsse mich! ich halte dich

Und lasse dich nimmer los!

O pfui, das ist ein schief Gesicht!

Du wirst ja kreideweiß!

Frisch, munter, Prinz! ich gebe dir

Mein bestes Stücklein preis.« –

Rührlöffel in der Küch sie holt,

Rührlöffel ihrer zwei,

War jeder eine Elle lang,

Waren beide nagelneu.

»Was guckst du so erschrocken?

Denkst wohl, es gäbe Streich'?

Nicht doch, Herzliebster, warte nur,

Dein Wunder siehst du gleich.«

Auf den obern Boden führt sie ihn:

»Schau, was ein weiter Platz!

Wie ausgeblasen, hübsch und rein!

Hie tanzen wir, mein Schatz.

Schau, was ein Nebel zieht am Berg!

Gib acht, ich tu ihn ein!«

Sie beugt sich aus dem Laden weit,

Die Geister zu bedräun;

Sie wirbelt übereinander

Ihre Löffel so wunderlich,

Sie wickelt den Nebel und wickelt,

Und wirft ihn hinter sich.

Sie langt hervor ein Saitenspiel,

Sah wie ein Hackbrett aus,

Sie rühret es nur leise,

Es zittert das ganze Haus.

»Teil dich, teil dich, du Wolkendunst!

Ihr Geister, geht herfür!

Lange Männer, lange Weiber, seid

Hurtig zu Dienste mir!«

Da fangt es an zu kreisen,

Da wallet es hervor,

Lange Arme, lange Schleppen,

Und wieget sich im Chor.

»Faßt mir den dummen Jungen da!

Geschwinde wickelt ihn ein!

Er hat mein Herz gekränket,

Das soll er mir bereun.«

Den Jüngling von dem Boden hebt's,

Es dreht ihn um und um,

Es trägt ihn als ein Wickelkind

Dreimal im Saal herum.

Margret ein Wörtlein murmelt,

Klatscht in die Hand dazu:

Da fegt es wie ein Wirbelwind

Durchs Fenster fort im Nu.

Und fähret über die Berge,

Den Jüngling mitteninn,

Und fort bis wo der Pfeffer wächst –

O Knabe, wie ist dir zu Sinn?

Und als er sich besonnen,

Lag er im grünen Gras,

Hoch oben auf dem Seegestad;

Die Liebste bei ihm saß.

Ein Teppich war gebreitet,

Köstlich gewirket, bunt,

Darauf ein lustig Essen

In blankem Silber stund.

Und als er sich die Augen reibt

Und schaut sich um und an,

Ist sie wie eine Prinzessin schön,

Wie ein Prinz er angetan,

Sie lacht ihn an wie Maienschein,

Da sie ihm den Becher beut,

Sie legt den Arm um seinen Hals;

Vergessen war all sein Leid.

Da ging es an ein Küssen,

Er kriegt nicht satt an ihr;

Fürwahr ihr güldner Gürtel wär

Zu Schaden kommen schier.

– »Ach Liebchen, ach, wie wallet hoch

Dein schwarzes Ringelhaar!

Warum mich so erschrecken jetzt?

Nun ist meine Freude gar.«

Sie drückt ihn an die Brüste,

Der Atem wird ihm schwer;

Sie heult ein grausiges Totenlied,

Und wirft ihn in das Meer.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-008501-2
Erschienen im Buch "Deutsche Balladen"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.