Christian Morgenstern

Das Butterbrotpapier (Christian Morgenstern)

Ein Butterbrotpapier im Wald, -

da es beschneit wird, fühlt sich kalt . . .

In seiner Angst, wiewohl es nie

an Denken vorher irgendwie

gedacht, natürlich, als ein Ding

aus Lumpen usw., fing,

aus Angst, so sagte ich, fing an

zu denken, fing, hob an, begann,

zu denken, denkt euch, was das heißt,

bekam (aus Angst, so sagt ich) - Geist,

und zwar, versteht sich, nicht bloß so

vom Himmel droben irgendwo,

vielmehr infolge einer ganz

exakt entstandnen Hirnsubstanz -

die aus Holz, Eiweiß, Mehl und Schmer,

(durch Angst) mit Überspringen der

sonst üblichen Weltalter, an

ihm Boden und Gefäß gewann -

[(mit Überspringung) in und an

ihm Boden und Gefäß gewann].

Mit Hilfe dieser Hilfe nun

entschloß sich das Papier zum Tun, -

zum Leben, zum - gleichviel, es fing

zu gehn an - wie ein Schmetterling . . .

zu kriechen erst, zu fliegen drauf,

bis übers Unterholz hinauf,

dann über die Chaussee und quer

und kreuz und links und hin und her -

wie eben solch ein Tier zur Welt

(je nach dem Wind) (und sonst) sich stellt.

Doch, Freunde! werdet bleich gleich mir! -

Ein Vogel, dick und ganz voll Gier,

erblickts (wir sind im Januar . . .) -

und schickt sich an, mit Haut und Haar -

und schickt sich an, mit Haar und Haut -

(wer mag da endigen!) (mir graut) -

(Bedenkt, was alles nötig war!) -

und schickt sich an, mit Haut und Haar - -

Ein Butterbrotpapier im Wald

gewinnt - aus Angst - Naturgestalt . . .

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-88059-228-4
Erschienen im Buch "Hundert Gedichte"
Herausgeber: Parkland Verlag